Einsam steht die Zypresse am windgepeitschten Ufer in Kalifornien. Passend auch das Wetter: Dichter Nebel hing den ganzen Tag über der Küste. Ideales Wetter also für düstere, melancholische Fotos in Schwarzweiss. Der Baum ist das Hauptmotiv. Die Felsen werden vor dem helleren Wasser fast zur Silhouette. Durch die Schwarzweiss-Wandlung stört keine Farbe. Vor allem aber haben Himmel und Wasser einen sehr grossen Anteil im Bild. Eigentlich sind sie leerer Raum, aber wenn dort ein Wald stehen würde, würde man die einsame Zypresse ja vor Bäumen nicht sehen. Und genau darum geht es in diesem Beitrag der Serie zur Bildkomposition aus meinem Fotokurs zum Fotografieren lernen.
Sonnenaufgang im Death Valley
Wir folgen den Spuren des Koyoten. Nachts muss er um das Nachtlager geschlichen sein und ist dann in Richtung Düne verschwunden. Im ersten Morgenlicht ist die Spur der grossen Pfoten gut im Sand zu sehen. Über uns türmt sich die gewaltige Sanddüne auf und noch ist es erfrischend kühl. Nichts ist zu hören, kein Windhauch weht. Nirgends eine Bewegung oder ein Rascheln, aber der Boden ist voller frischer Fussspuren. Für mich ist dies eine der schönsten Erinnerungen an den Kalifornien Urlaub. Wir folgen im Morgengrauen der Spur eines Koyoten im Death Valley! Wie cool ist dass denn bitte schön?
in art there is the concept of „negative space„, where what isn’t there is as important as what is. (https://luminous-landscape.com/negative-space/)
Leerer Raum oder negative space, wie man im Englischen sagt bezeichnet genau das: Grosse leere Flächen, welche die Bildwirkung unterstützen. Durch das Weglassen von störenden Elementen sticht das Hauptmotiv stärker in den Vordergrund. Dabei muss „leer“ nicht zwingend leer sein, aber es sollte klar in den Hintergrund treten. Wasser, Himmel, Wiese, Sand oder Fels es gibt in der Natur viele Situationen für diese Regel. Auch muss man nicht eine Person mit dieser Technik hervorheben, es kann auch der einsame Baum auf der Wiese sein, ein Tier, Haus oder…
Das Titelbild dieses Artikels zeigt Kristina kurz nach Sonnenaufgang im Aufstieg auf eine Düne im Death Valley, Kalifornien. Das Bild enthält praktisch nur Sand und Kristina. Nichts lenkt ab. Die Technik der führenden Linie habe ich hier bewusst eingesetzt, um den Effekt noch zu verstärken.
Frau am Bergsee – Bildkomposition mit leerem Raum
Das nächste Beispiel zeigt Kristina an einem Bergsee. Im Hintergrund schneebedeckter Fels. Wieder ist es auf den ersten Blick klar, worum es geht. Man sieht die Felsen, man sieht, dass sie auf einer Landzunge steht, aber nichts lenkt ab. Der Grossteil des Bildes ist „leer“.
Im Gegensatz dazu das Testfoto, eine Minute vorher geschossen. Hier steht Kristina noch zwischen den Bäumen. Zwar sieht man jetzt, dass wir noch auf der Höhe der Bäume sind, aber diese lenken eben auch von ihr ab. Das Auge wandert zwischen Baum und Frau hin und her und weiss nicht, wo es hängen bleiben soll. Die Bildwirkung ist weniger stark.
Bildkomposition in der Fotografie – Leerer Raum
Das Foto von Anja auf dem Rennrad (siehe das Video zu diesem Shooting) zeigt sie leuchtend in der grünen Wiese auf der Schwäbischen Alb. Hier ist durch die Blende 4.0 bei 200mm auch der Effekt der Freistellung im Einsatz. Wäre hier ein Auto mit im Bild, ein Baum oder Verkehrsschilder, so würden sie von Anja ablenken. Ich habe hier bewusst meine Position so gewählt, dass ich auch keinen Himmel im Bild habe. Ihr rotes T-Shirt haben wir mit Absicht in Kontrast zum Grün der Wiese gesetzt.
Das letzte Beispiel verdeutlicht das noch mal. Die beiden Fotos sind keine 100m entfernt voneinander aufgenommen. Zuerst das vor dem Wald, dann haben wir gesehen, dass dieser ablenkt und sind ein Stück weiter gegangen. Die Wiese ist hier nicht ablenkend, vor den Bäumen ist Anja trotz des Farbkontrasts kaum zu erkennen.
Fazit
Weniger ist manchmal mehr in der Bildkomposition. Durch das bewusste Weglassen von allen störenden Elementen kann man die Bildwirkung manchmal verstärken. Das Beispiel aus dem Death Valley ist da sehr typisch: Statt mit dem Ultraweitwinkel zu versuchen ein „hier ist es schön“ Foto zu machen, haben wir bewusst die Nähe gesucht. Wir wollten den Aufstieg im Sand (man braucht rund 45 Minuten bis oben) zeigen, aber auch die Weite der Landschaft.
Mehr Artikel zur Bildkomposition gibt es in der Rubrik Fotokurs. In der Rubrik Landschaftsfotografie gibt es weitere Tipps und Tricks. Meine Fotoausrüstungs-Empfehlungen für Landschaftsfotografen.